Kindheit ist keine Krankheit. Wie wir unsere Kinder mit Tests und Therapien zu Patienten machen.
Ein Kinderarzt empört sich

Dr. Michael Hauch, Fischer Verlag, 2015

Dr. Michale Hauch ist seit mehr als 20 Jahren niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Deutschland. Während dieser Zeit beobachtet er zunehmend eine frühe Pathologisierung von an und für sich ganz normalen Verhaltens- und Entwicklungsvarianten.

Alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder eigenständige Individuen werden. Trotzdem müssen sie in ihrer Entwicklung, ihrer Leistung und ihrem Verhalten einer sehr eng gesteckten Norm entsprechen. Tun sie das nicht, gibt es eine Unzahl an Tests, die Abweichungen von der Norm diagnostisch erfassen, benennen und bewerten und daraus zahlreiche Therapien ableiten.

Dr. Hauch plädiert für Geduld, kindgerechte Umgebung, gesunden Menschenverstand und vor allem eine grundlegend wertschätzende Haltung dem Kind, seiner Individualität, seinen Stärken und auch seinen Schwächen gegenüber.

Alles FÜR frühzeitige Therapie, wo diese tatsächlich notwendig ist. Und alles GEGEN überbordenden Frühförderwahn, der den Kindern im Grunde genommen zu verstehen gibt: „Du bist nicht okay, so wie du bist.“

Gerda Kosnar-Dauz

Kind auf Bestellung – Ein Plädoyer für klare Grenzen

Eva Maria Bachinger, Deuticke, 2015

Die Autorin legt ein sehr umfangreich und sorgfältig recherchiertes Buch vor. Alle Themen von Pränataldiagnostik über künstliche Befruchtung, Präimplantationsdiagnostik (PID), Eizellspende bis Leihmutterschaft werden angeschnitten und kritisch beleuchtet.

Zu Beginn analysiert sie den Begriff Familie und macht eine Gegenüberstellung von Kinderlosigkeit und Familien mit Kinder und zeigt dabei die Klischees auf, die zu diesem Thema wiedergegeben werden. Sie schildert viele plakative Aussagen von MedizinerInnen und PolitikerInnen, die getätigt werden, um der Fertilitätsbehandlung die Absolution zu erteilen. Sie hinterfragt den Begriff der „Natürlichkeit des Kinderwunsches“. Einzelne Fallbeispiele machen bestimmte Situationen und Schicksale noch deutlicher – z.B. der Weg eines schwulen Paares über eine Leihmutter zu einem Kind. Eindringlich werden Not, Leid und gesundheitliche Risiken von Eizellspende und Leihmutterschaft aufgezeigt und dem Kapitalismus und der Geschäftemacherei gegenübergestellt.

Die Autorin beruft sich bei verschiedenen Themenbereichen immer wieder auf die Kinderrechtskonvention und fordert ein internationales Verbot der Leihmutterschaft weil es Kinderhandel ist, der nach Artikel 35 der Kinderrechtskonvention zu unterlassen ist.

Weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Thema der PID und ihren Auswirkungen als Ausleseinstrument. Es wird z.B. Bezug genommen auf den Terminus „schwere Krankheit“, der als Indikation für die PID im Fortpflanzungsmedizin Gesetz angeführt wird. - Was ist schwer, nicht lange lebensfähig, wer entscheidet über die Lebensqualität eines anderen? Erstaunlich findet die Autorin, dass der Begriff der Selbstbestimmung der Frau und Autonomie in diesen Themenbereichen so missbräuchlich verwendet wird und dass es von den Linken kaum kritische Reaktionen gibt.

Weitere Themenbereiche, die in dem Buch angesprochen werden sind Geschlechterselektion durch PID (Auch wenn es bestritten wird, ist Geschlechterselektion durchaus ein Gegenstand der PID) sowie die finsteren Kapitel des Fetozides und der Mehrlingsreduktion.

Ein Fallbeispiel eines Spenderkindes zeigt deutlich die Problematik, die sich für Kinder ergibt, die durch Samenspende oder Eizellspende entstanden sind.Die Kliniken machen Schwierigkeiten und legen Hindernisse in den Weg, halten die Spender geheim. Kein Spender hat das Recht auf Anonymität. Es gilt das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft.

Die Autorin zitiert viele Aussagen von MedizinerInnen und PolitikerInnen, die sie mutig hinterfragt und widerlegt.

Ein sehr gelungenes Buch zu einem brandheißen Thema!

Edeltraud Voill

Die Geburt meines ersten Kindes: Geburtserfahrungen, Geburtsakten und Erläuterungen schwerer Geburten in der Klinik

Irene Behrmann, Dr. med. Ulrike Bös, Fidibus Verlag, 2013

Zwölf Frauen schildern in diesem Buch ihre Geburtserfahrungen – allesamt Frauen, die ihre Geburtserfahrungen sehr kritisch sehen, vielfach unzufrieden sind mit Begleitung oder Rundum-Bedingungen in der Klinik, in der sie entbunden haben. Frauen, die nach ihrem Gefühl nicht selbstbestimmt gebären durften.

Nach jeder einzelnen Geschichte findet sich ein Kommentar aus medizinischer Perspektive und einer aus psychologischer/therapeutischer Sicht. Beleuchtet wird darin die Frage, ob und wie die Geburt anders hätte verlaufen können, Zusammenhänge zwischen Interventionen und den – oft ungünstigen emotionalen oder medizinischen – Auswirkungen werden thematisiert.

In einem zweiten Teil findet sich eine Sammlung zu einzelnen Aspekte der Geburtshilfe, von der geschichtlichen Entwicklung der Klinikgeburten bis hin zu ein paar interessanten wissenschaftlichen Untersuchungen. Im Gesamteindruck überwiegt aber der erste Teil mit seinen Erfahrungsberichten.

Nicht alle Berichte sind gleich „schlimm“, es finden sich auch positive Aspekte – doch das negative überwiegt. Obwohl vor jedem Kapitel angegeben ist, ob diese Erzählung für Schwangere eine geeignete Lektüre ist, scheint mir das Buch insgesamt für werdende Mütter nur bedingt geeignet.

Inwiefern das Buch bei der Aufarbeitung belastender Geburtserfahrungen helfen kann, hängt von den Bedürfnissen der Leserinnen ab. Durch das Erklären von Zusammenhängen, etwa von geburtshilfichen Routinen und deren möglichen Auswirkungen, können möglicherweise manche Fragen beantwortet werden – zumindest kann das Gefühl, selbst „versagt“ zu haben, relativiert werden. Es finden sich auch einige nützliche Informationen und Anregungen in Hinblick auf die Geburtsaufarbeitung (z.B. Musterbrief an eine Klinik, Abkürzungsverzeichnis von in Geburtsberichten verwendeten Kürzeln, Hinweise auf Therapieangebote etc.).

Besonders begrüßenswert jedoch fände ich es, und dort liegt meiner Meinung nach die Haupt-Zielgruppe dieses Buches, wenn dieses Buch Einzug in Aus- und Fortbildung von GeburtshelferInnen finden würde. Die kritische Auseinandersetzung mit letztendlich doch „ganz normalen“ Situationen und das Reflektieren der geburtshilflichen Auswirkungen auf das Empfinden der Frau würde dadurch sicherlich angeregt bzw. begünstigt.

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Generation Kaiserschnitt

Michel Odent, Kösel Verlag, 2014

Michel Odent schrieb vor vielen Jahren den Klassiker "Die sanfte Geburt". Dieses Buch revolutionierte die Geburtshilfe bis nach Österreich.

In den 50iger Jahren führte der Gynäkologe seine ersten Kaiserschnitte unter Vollnarkose durch.Die Mütter brauchten ein bis zwei Blutkonserven und die Operation dauerte ein bis zwei Stunden. Er war damals schon fortschrittlich, denn er öffnete die Gebärmutter im unteren Segment mit einem Querschnitt.

In den 90er Jahren entwickelte das OP Team am Hospital Misgav Ladach in Jerusalem eine neue Schnitttechnik. Das Ziel war es, unnötige Schnitte zu vermeiden, weniger Instrumente einzusetzen und mehr mit den Händen zu arbeiten. Die Vorteile dieser Methode waren enorm. Der Eingriff verkürzte sich auf durchschnittlich 25 Minuten. Der Blutverlust ist in etwa gleich hoch wie bei einer vaginalen Geburt. Die Narkose wurde verbessert. Die Wundheilung ist aufgrund gezielter Antibiotika-Gabe seltener mit Komplikationen verbunden. Die Mütter können nun nach 48 Stunden nach Hause gehen, vormals nach einer Woche. Der Kaiserschnitt wurde sicher.

Dieser Wandel brachte aber auch mit sich, dass die Kaiserschnittrate heutzutage bei 30 Prozent liegt. Nur mehr ca. 7% aller Frauen erleben bei uns eine Geburt ohne medizinische Intervention. Dieser Wandel bringt Konsequenzen mit sich, auch auf evolutionärer Ebene.

Odent führt sehr viele Studien an, die sich mit den Unterschieden der vaginalen Geburt oder mit dem Kaiserschnitt befassen. Er vergleicht den Menschen mit den Säugetieren, bringt die Epigenetik hinein, die Auswirkungen von Antibiotika unter der Sectio, die Virosphäre und Oxytocin. Er geht auf Ammenmärchen ein und auf die Hebammen, die früher neben der Frau strickten und heute immer etwas tun müssen. Es gibt keine Zeit mehr für eine natürliche Geburt.

Beim Lesen ist Odents lange berufliche Erfahrung und sein enormes Wissen spürbar. in diesem Buch schreibt er viel wissenschaftlicher als in seinen früheren Büchern. Er ist davon überzeugt, dass die hohe Kaiserschnittrate die Menschheit veränder wird und beschreibt erschreckende evolutionäre Konsequenzen.

"Im 20. Jahrhundert lernten wir, welche Bedürfnisse ein Baby hat. Hoffen wir, dass wir im 21. Jahrhundert lernen, welche Bedürfnisse die Schwangere hat."

Dem kann ich mich nur anschließen.

Das Buch ist eher für Fachpersonal gedacht, um Geburtsabläufe zu hinterfragen und zu überdenken. Es ist nicht für Mütter geeignet.

cv

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