Was bedeuten die derzeitigen Verordnungen im Zusammenhang mit COVID-19 für Familien?

Nachdem am Samstag die Regierungsspitze medienwirksam neue Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie verkündet hat, fragen sich viele Familien, wie sie die nächsten Wochen planen sollen: Was ist noch erlaubt, was verboten?

Gerade allein erziehende Elternteile stellen sich eine Vielzahl an Fragen wie:

  • Kann ich mein Kind weiter in die Schule bzw. in den Kindergarten schicken?
  • Steht mir Sonderbetreuungszeit zu?
  • Darf ich mein Kind zur Betreuung zu Oma bzw Opa bringen?
  • Was passiert mit dem Kontaktrecht des anderen Elternteils während des Lockdowns?

Unsere Rechtsanwältin, Mag. Judith Gingerl, hat sich die veröffentlichten Gesetze und Verordnungen angeschaut und gibt Ihnen einen Überblick, wie sich die rechtliche Situation momentan (Stand 16.11.2020, 14:30 Uhr) darstellt:

1. Schulbetreuung/Kindergartenbetreuung

Nachdem in der COVID-19 Schulverordnung eine Ampelregelung implementiert wurde, wurde diese Schulampel österreichweit vom 17.11.2020 bis 7.12.2020 auf rot geschaltet. Das bedeutet im Wesentlichen, dass der Schulunterricht nach dem Text der Verordnung ortsungebunden im sog. distance learning stattfindet.

Ausnahmen gelten, wenn Schüler keinen geeigneten Arbeitsplatz zu Hause haben, ihnen die notwendige IT Infrastruktur fehlt, sie eine pädagogische Unterstützung benötigen oder ihre Beaufsichtigung zu Hause nicht möglich ist. In diesem Fall sind die Schüler in der Schule zu beaufsichtigen und pädagogisch zu unterstützen. Der Betreuungsteil ganztägiger Schulen ist in dem Umfang möglich, in dem die Schüler zur ganztägigen Schule angemeldet sind.

Nach der Verordnung gibt es keine Einschränkung auf bestimmte Berufsgruppen oder sonstige Voraussetzungen, um die Betreuung in Anspruch zu nehmen. Auch wenn ein Elternteil nicht erwerbstätig zu Hause ist, kann das Kind in die Betreuung gebracht werden, weil es beispielsweise keinen Arbeitsplatz in der Wohnung hat.

Die Kindergärten unterliegen den Ländern und sind daher unterschiedlich geregelt. In Wien (Quelle : www.wien.gv.at) können die Kindergärten von allen, die sie brauchen, genützt werden. In NÖ (Quelle: www.noe.gv.at) bleiben die Kindergärten geöffnet, wobei die Anweisung besteht, dass jeder, der dazu in der Lage ist, sein Kind zu Hause lassen soll. Das verpflichtende letzte Kindergartenjahr wird während der Zeit des Lockdowns ausgesetzt.

2. Sonderbetreuungszeit

Während die Regierung bereits die Ausweitung der Sonderbetreuungszeit verkündet hat, wurde diese bislang im Parlament nicht beschlossen. Es gilt daher nach wie vor die bisherige Rechtslage.

Nach § 18b AVRAG wird die Sonderbetreuungszeit unter folgenden Voraussetzungen gewährt:

  • Die Schule oder Betreuungseinrichtung muss tatsächlich geschlossen sein.
  • Es darf kein andersartiger Anspruch auf Freistellung zur Betreuung des Kindes bestehen.
  • Die Arbeitsleistung des Mitarbeiters darf nicht für die Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich sein.
  • Der Dienstgeber muss zustimmen.
  • Das Maximalausmaß der Sonderbetreuungszeit beträgt 3 Wochen.
  • Möglich ist die Sonderbetreuungszeit für Minderjährige unter 14 Jahren, für die Betreuung von Menschen mit Behinderung und die Pflege pflegebedürftiger Angehöriger, bei Ausfall der Pflegeperson.

Bei der Sonderbetreuungszeit übernimmt der Staat die Hälfte des in diesen Zeitraum fallenden Lohns.

3. Betreuung der Kinder durch die Großeltern

Nach der § 1 der COVID-19 Notmaßnahmenverordnung ist das Verlassen der eigenen Wohnung zwischen 17.11.2020 und 26.11.2020 nur gestattet, wenn ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Der Grund der kurzen Befristung liegt in dem COVID-19 Maßnahmengesetz, das bei Ausgangsbeschränkungen eine maximal 10 tägige Dauer und die Zustimmung des Parlaments als Voraussetzung für die Verlängerung vorsieht. Nach derzeitiger Sicht ist daher mit einer Verlängerung zumindest bis zum 6.12.2020 zu rechnen.

Als Ausnahmetatbestand von dieser Grundregel kommt die Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen in Frage. Wenn man nur die Verordnung liest, könnte man meinen, dass unter diesem Ausnahmetatbestand auch die Betreuung Minderjähriger fällt. In der rechtlichen Begründung zur Verordnung wird dies aber gerade ausgeschlossen, da in der weiteren Verordnung eine Differenzierung zwischen pflegebedürftigen und minderjährigen Personen gemacht wird. Diese Begründung mag nicht überzeugen, zumal die anderen in der rechtlichen Begründung zitierten Bestimmungen eine völlig andere Zielsetzung verfolgen. Es wird abzuwarten sein, wie der VfGH diese Bestimmung auslegen wird.

Als anderer Ausnahmetatbestand kommt auch die Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens in Frage, bei dem der Besuch einzelner engster Bezugspersonen zulässig ist. Wenn also Enkelkinder und Großeltern vor dem Lockdown ein enges Verhältnis hatten, dürfen die Enkelkinder weiterhin die Großeltern besuchen und dort wohl auch betreut werden.

Da in der Verordnung von „einzelnen“ engen Angehörigen die Rede ist, wird man wohl zu dem absurden Schluß kommen müssen, dass ein Enkelkind die Großeltern besuchen darf, mehrere aber nicht. Dafür können mehrere Enkelkinder von einem Großelternteil im Haushalt der Eltern besucht (und beaufsichtigt) werden.

4. Spielkontakte der Kinder mit ihren Freunden

Sehr schwierig ist für viele Kinder im Lockdown die Trennung von ihren Freunden. Da der Ausnahmetatbestand der COVID-19 Notmaßnahmenverordnung der Erlaubnis des Kontaktes zu einzelnen wichtigen Kontakten nicht auf Verwandte beschränkt ist, wird man das Kind wohl mit engen Freunden spielen lassen dürfen, wobei auch da immer nur 2 Kinder, die gleichzeitig spielen, zulässig sind, außer das Kind besucht einen Haushalt, indem mehrere Kinder leben.

5. Betreuung eines erkrankten Kindes im Krankenhaus

Prinzipiell ist nach § 11 Abs 2 Z 8 COVID-19 Notmaßnahmenverordnung ein Krankenhausbesuch nur möglich, wenn der Patient mehr als eine Woche stationär aufgenommen wird. Dann ist alle 7 Tage ein Besuch von einer Person für eine Stunde erlaubt. Für Minderjährige sind insgesamt 2 Personen ohne zeitliche Beschränkung zum Besuch und für die Betreuung zulässig. Das bedeutet, dass ein krankes Kind im Krankenhaus von beiden Elternteilen besucht werden darf und sich die Elternteile bei der Betreuung (Mitaufnahme) auch abwechseln dürfen.

6. Schwangerschaft und Geburt

Dieser Punkt war im 1. Lockdown im März äußerst umstritten, da den werdenden Vätern oftmals der Zutritt zum Kreissaal verwehrt wurde. Nach § 11 Abs 2 Z 5 ist nun festgestellt, dass bei sämtlichen Untersuchungen vor der Geburt, während der Geburt und nach der Geburt eine Person anwesend sein darf.

7. Kontakt zum anderen Elternteil in Patchworkkonstellationen

Auch dieser Punkt bot im ersten Lockdown viel Raum für Spekulationen. In der COVID-19 Notmaßnahmenverordnung ist nun festgschrieben, dass der Kontakt zu beiden Elternteilen, auch wenn der Minderjährige mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt wohnt, zu den Ausnahmen von den Ausgangsbeschränkungen zählen und zulässig sind. Meine am heutigen Tag durchgeführte Umfrage unter den in Wien ansässigen Besuchscafés ergab, dass diese beabsichtigen, den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Judith Gingerl
Rechtsanwältin
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